Chinesische Politik
Die chinesische Verfassung von 1982 besagt, daß die "Bürger der Volksrepublik China die Freiheit des Glaubens besitzen", aber fügt hinzu, daß nur "legitime religiöse Aktivitäten" gestattet seien. Die chinesische Politik im allgemeinen betrachtet die Religion als ein Hindernis für den Staat und die offizielle Ansicht und versucht, religiöse Aktivitäten niederzuhalten.
Die Periode der Mäßigung und eingeschränkten Toleranz von 1977 und 1986 endete abrupt mit dem Schlag der Sicherheitskräfte 1987 gegen die Demonstrationen der Mönche mehrerer großer Klöster. Seit 1994 wurden gewisse Neuerungen in der Kommunistischen Partei und der Verwaltung in Tibet eingeführt, um die religiöse Praxis in die von der chinesischen Führung gesetzten Grenzen zu verweisen.
Die chinesische Religionspolitik der vergangenen 46 Jahre in Tibet kann in sechs Perioden eingeteilt werden:
1950-59: Die Religion wurde prinzipiell von der Verfassung von 1954 gutgeheißen, aber religiöse Aktivitäten wurden streng von staatlichen Instanzen kontrolliert.
1959-66: China konsolidierte seinen Griff über Tibet. Klöster wurden als Rückgrat der tibetischen Gesellschaft ins Visier genommen. Um 1966, als die Kulturrevolution begann, waren bereits 80% der 2.700 Klöster Zentraltibets zerstört. Von den 115.600 Mönchen und Nonnen blieben nur noch 6.900 übrig (TAR Vice-Chairman Buchung Tsering, 1987).
1966-77: Während der Kulturrevolution waren alle religiösen Aktivitäten verboten, religiöse Institutionen wurden geschleift, heilige Schriften und Gegenstände zerstört, Mönche und Nonnen ins Gefängnis geworfen und gefoltert; viele kamen ums Leben. 1978 standen nur noch 8 Klöster, und in der TAR gab es offiziellen Angaben zufolge nur noch 970 Mönche und Nonnen.
1977-86: Einige religiöse Aktivitäten wurden ab 1977 wieder erlaubt. Der Panchen Lama, der 1961 gefangengesetzt wurde, weil er Mao Zedong seine Kritik der Parteipolitik in Tibet unterbreitet hatte, wurde 1978 aus der Haft entlassen, und 1979 wurde der Jokhang Tempel in Lhasa wieder eröffnet. Die Liberalisierungspolitik wurde 1980 von Hu Yaobang eingeleitet. Es wurden Mittel zum Wiederaufbau von Klöstern zugeteilt, und 1986 wurde zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder das Monlam Gebetsfest begangen. Die Tibeter zogen aus dieser Liberalisierung der 80er Jahre so viel Gewinn, wie sie nur konnten. Die Zeit von 1983 bis 1987 war von der schnellen Restauration der Klöster gekennzeichnet. Viele konnten ihre Größe ohne große staatliche Einmischung vermehren. Das Nonnenkloster Garu zum Beispiel wuchs von 20 Nonnen im Jahre 1985 auf 130 im Jahr 1987.
1987-1994: Die Demonstrationen von 1987 hatten ein hartes Durchgreifen gegen die hauptsächlichen Klöster zur Folge. Über 200 Mönche und Nonnen wurden zwischen Dezember 1989 und April 1990 aus ihren Klöstern um Lhasa ausgestoßen.
1994-1996: Bei dem Dritten Arbeitsforum zu Tibet, das 1994 stattfand, änderte China seine Religionspolitik dahingehend, daß jedes weitere religiöse Wachstum in Zukunft weitgehend unterdrückt und eingeschränkt werden sollte. Die bisherigen repressiven Maßnahmen hatten mehr auf eine Kontrolle und Regelung des religiösen Lebens als auf eine regelrechte Unterdrückung abgezielt (A Season to Purge: Religious Repression in Tibet, International Campaign for Tibet, 1996). Die drastischen Maßnahmen, die 1994 ergriffen wurden, weisen drei Aspekte auf:
- Eliminierung der politischen Opposition und der Mönche und Nonnen, welche mit der Unabhängigkeit sympathisieren.
- Diskreditierung des Dalai Lama als des religiösen und politischen Oberhaupts Tibets.
- Kontrolle der religiösen Institutionen hinsichtlich ihrer Tätigkeit und ihrer Größe (Cutting off the Serpent's Head: Tightening Control in Tibet 1994-1995, TIN & Human Rights Watch/Asia, 1996).
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